Grad der Behinderung / Schwerbehinderung – sinnvoll? JA!

Meine Lieben, ein stürmischer, verregneter Sonntag mit Aromadiffuser und kuscheliger Decke auf dem Sofa. Vielleicht sieht es bei euch genauso aus und ihr macht es euch gemütlich, während ich euch hier über ein sehr wichtiges, aber auch scheinbar wenig bekanntes Thema, aufklären möchte.

Immer wieder bekomme ich Nachrichten bei Instagram in denen ihr mich nach dem Ausfüllen des Antrags fragt, was man angeben muss, wie ich meinen Widerspruch stemme, ob ich mich gleichstellen lasse oder ob man mit Multipler Sklerose überhaupt ein Recht auf einen Grad der Behinderung, kurz GdB, hat. ABER HALLO?! Wir müssen uns bis ans Ende unseres Lebens mit einer chronischen Erkrankung rumschlagen, natürlich haben wir das Recht darauf und das sollten wir wahrnehmen.

Wo ihr euch beraten lassen könnt, ob man das ganze auch online beantragen kann und was eure Vorteile durch eine anerkannte Behinderung sind, verrate ich euch jetzt. Also, Tee in die Hand, Decke über die Beine geworfen, eingemuckelt und los geht’s.

Wie stelle ich einen Antrag und bei wem?

Den Antrag für einen GdB stellt ihr bei eurem zuständigen Versorgungsamt. In meinem Fall ist es das Versorgungsamt / Die Behörde für Arbeit/Familie & Soziales der Stadt Hamburg. Wer aufgepasst hat, weiß, dass Hamburg ein Bundesland ist, demnach sind die Antragsstellen Bundeslandabhängig.

Viele Versorgungsämter stellen die Formulare für die Antragsstellung zum Download bereit. Die könne dann ausgedruckt und ausgefüllt werden. Am besten also einfach mal nach eurem zuständigen Versorgungsamt googeln. Ich kann euch wirklich dazu raten, dass ihr den Antrag nicht alleine ausfüllt, sondern jemanden an der Seite habt, der sich eventuell etwas damit auskennt oder sich mit euch zusammen in die Materie reinliest.

Ich hatte damals das Glück, dass mich die Sozialarbeiterin in der Tagesklinik an die Hand genommen hat und mit mir den Antrag zusammen ausgefüllt und ihn abgesendet hat.

Kann ich den Antrag online stellen?

Menschen mit Behinderung müssen für die Antragsstellung nicht zwingend vor Ort sein. Es ist bei vielen Versorgungsämtern möglich, den Antrag online auszufüllen. Ein solcher Online-Antrag wird in den Bundesländern Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie im Saarland, in Berlin und in Brandenburg angeboten. 

Meist ist vorab eine kostenlose Registrierung auf dem Portal der Versorgungsämter notwendig. Je nach Bundesland kann man den Antrag dann teilweise oder sogar vollständig online ausfüllen und einreichen.

Was gebe ich an?

Ich persönliche habe neben meiner Multiplen Sklerose die Fatigue als Symptom angegeben. Ebenso die Depression, unabhängig von der MS. Also drei Diagnosen. Zu allen drei Diagnosen gab ich meine zuständigen Ärzte an. Diese sind bei mir; Ärzte der Multiple Sklerose Ambulanz des Uniklinikums, meine niedergelassene Neurologin und meine Psychotherapeutin.

Wenn ihr bereits Arztbriefe, radiologische Befunde oder Bilder habt, dann legt sie am besten direkt bei Antragstellung in Kopie mit bei. Alles andere, beispielsweise laufende Untersuchungen zu denen es noch keinen Befund gibt, holt sich das Versorgungsamt direkt bei den Ärzten/Therapeuten.

Wann bekomme ich eine Antwort?

Das ist ganz unterschiedlich. Bei einigen dauert es einen Monat, bei anderen fast ein halbes Jahr. Bei mir ging das ganze relativ schnell und nach ca. 4 Wochen kam der Bescheid, dass ich nun eine anerkannte Behinderung und somit einen GdB von 40 hätte. Viele denken, dass man das ganze in Prozent ausdrückt, nein. Sicherlich weiß jeder was man meint, aber falsch ist es trotzdem. Das nur am Rande.

Was bedeutet der festgestellte GdB und welche Vorteile habe ich?

Hier zu würde ich euch gerne eine Tabelle verlinken die mir sehr geholfen hat, das ganze zu verstehen:

https://www.betanet.de/files/pdf/nachteilsausgleiche-gdb.pdf

Erst ab einem Grad der Behinderung von 50 bekommt ihr einen richtigen Ausweis. Vorher erhaltet ihr einfach nur den Bescheid in Papierform.

Muss ich meine Behinderung meinem Arbeitgeber melden?

Nein. Wenn sich eine dauerhafte Behinderung entwickelt, muss man seinen Arbeitgeber nicht darüber informieren. Zumindest nicht, solange man seinen Job noch adäquat ausüben kann. Was bedeutet das genau?

Wenn ihr beispielsweise als Bürokauffrau/mann arbeitet und euch die MS in eurem Arbeitsalltag nicht einschränkt und ihr zudem nicht möchtet, dass jemand von der Diagnose bzw. dem GdB weiß, dann braucht ihr dies nicht zu erwähnen.

Ist es sinnvoll, eine Schwerbehinderung im Job zu verschweigen?

Die meisten Menschen leben mit der Sorge, dass ihr Arbeitgeber ein Problem mit der Behinderung haben könnte. Leider gibt es insbesondere in kleineren Betrieben immer noch zahlreiche Vorurteile über Menschen mit Behinderung: Man könne sie nicht mehr loswerden. Sie seien ständig krank. Man müsste ihnen teure Spezialgeräte zur Verfügung stellen.

B U L L S H I T.

Vor diesem Hintergrund ist die Sorge von Menschen mit Behinderung, sie könnten durch die Offenlegung ihrer Schwerbehinderung Nachteile erfahren, nicht unbegründet. Ich arbeite persönlich in einem sehr kleinen Betrieb und habe das Glück, dass es praktisch niemanden interessiert. Würde ich allerdings ein Hilfsmittel benötigen, was ich während der Arbeitszeit brauche, würde ich auch das ansprechen, egal ob kleiner oder großer Betrieb, das sollte euch bitte ganz genauso gehen.

Nochmal als kurzer Zusatz: Falls ihr im Öffentlichen Dienst arbeitet, solltet ihr euren Schwerbehinderten-Status der Personalabteilung mitteilen. Wie kaum ein anderer Arbeitgeber ist der Staat sehr daran interessiert, den Anteil schwerbehinderter Kolleginnen und Kollegen zu erhöhen.

Gleichstellung, was hat’s damit eigentlich auf sich?

Ab einem Grad der Behinderung von 50 gilt man als schwerbehindert. Unter bestimmten Umständen können aber auch Arbeitnehmer/innen mit einem GdB unter 50 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden.

Mit der Gleichstellung habt ihr grundsätzlich den gleichen Status wie schwerbehinderte Menschen. Damit gelten für euch dieselben Bestimmungen, zum Beispiel:

  • besonderer Kündigungsschutz
  • Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung
  • Betreuung durch spezielle Fachdienste
  • Beschäftigungsanreize für Arbeitgeber (wie Lohnkostenzuschüsse)

Außerdem könnt ihr mit einer Gleichstellung eventuell euren Arbeitsplatz sichern. Das trifft zu, falls der zum Beispiel gefährdet ist durch:

  • häufiges Fehlen aufgrund der Behinderung
  • geringere Belastbarkeit
  • eingeschränkte berufliche und / oder regionale Mobilität

Den Antrag auf Gleichstellung stellt ihr bei eurer zuständigen Agentur für Arbeit.

Ich empfinde meinen GdB als zu gering / Ich habe neue Einschränkungen

Falls ihr neue Einschränkungen im Alltag habt oder neue Symptome auftreten, dann gebt sie unbedingt an und stellt einen „Verschlimmerungsantrag“ / „Antrag auf Neufeststellung des GdB“.

Genau das habe ich nach erneuten Schüben und damit einhergehenden, bleibenden Einschränkungen getan. Meine wunderbare Neurologin gab mir direkt ein Schreiben mit, in dem die Auswirkungen begründet niedergeschrieben waren und ich gab erneut alles Ärzte und Diagnosen an.

Dieses Mal dauerte es zwei Monate bis letzte Woche der Ablehnungsbescheid im Briefkasten lag.

Morgen habe ich einen Telefontermin mit der DMSG und werde mit einer Sachbearbeiterin gemeinsam meinen Widerspruch, der innerhalb eines Monats erfolgen muss, formulieren. Falls ihr Mitglied der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft seid, dann schreibt ihnen einfach eine Mail und die lieben Menschen melden sich dann schnell bei euch zurück.

Ich persönlich bevorzuge den Schritt des Widerspruchs und nicht des Gleichstellens. Bei mir geht es vor allem um den Mehrurlaub, den ich beim Gleichstellen nicht bekommen würde. Außerdem finde ich es einfach sehr, sehr ungerecht wie unterschiedlich immer noch bei gleichen Diagnosen entschieden wird. Das macht mich wütend. Wie kann es sein, dass manche mit der gleichen Anzahl an Läsionen, mit den gleichen Einschränkungen einen GdB von 20 und andere direkt einen von 80 bekommen? Für mich erschließt sich das ganze nicht und besonders mitteilungsfreudig sind die Versorgungsämter im Bezug darauf auch nicht.

Vielleicht weiß jemand von euch eine Antwort darauf?

Ich werde jedenfalls nicht aufgeben und halte euch natürlich weiterhin auf dem Laufenden.

ERGÄNZUNG:

Mittlerweile habe ich einen befristeten GdB von 50. Befristet bei chronischer Erkrankung ist auch wieder irgendwie ein schlechter Witz, aber besser als nichts.
BLEIBT STARK UND STANDHAFT!

Ich mache mir jetzt einen Kaffee und werde den Rest des Sonntags auf dem Sofa und später vielleicht in der Badewanne verbringen. Ich hoffe ihr alle, meine Lieben, hattet ein tolles Wochenende und der Text hat euch geholfen und motiviert. Falls ihr Fragen oder Anmerkungen habt, schreibt mir gerne in die Kommentare oder bei Instagram .

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