Das erste Mal habe ich das Wort „Resilienz“ vor ca. 10 Jahren in meiner Ausbildung gehört. In unserem Psychologie Unterricht ging es vor allem darum, wie wir künftig Patient:innen dabei unterstützen können, die sich gerade in einer Phase ihres Lebens befinden, in der sie einen Schicksalsschlag in Form einer Erkrankung ereilt hatte. Ich weiß noch wie ich damals schon dachte: „Wahnsinn, dass es dafür ein Wort gibt und dass es Menschen gibt, die einfach resilienter sind, als andere. Warum?“
Für alle die noch nie etwas darüber gehört oder sich damit beschäftigt haben, hier ein kleiner Abriss:
Resilienz ( resilire ‚zurückspringen‘ ‚abprallen‘), auch Anpassungsfähigkeit, ist der Prozess, in dem Personen auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagieren.
Wikipedia
Manche Menschen bewahren trotz widrigster Umstände den Lebensmut – „Resilienz“ nennen Forscherinnen und Forscher diesen Wesenszug, auf Krisen mit Zuversicht zu reagieren.
Okay, soweit so gut, aber was genau will man damit sagen? Krisen sind doch ganz schön individuell oder? Ich meine, einige von uns befinden sich subjektiv in einer Lebenskrise, wenn sie einen Umzug in einen anderen Stadtteil vor sich haben. Andere hingegen erhalten die Diagnose einer schweren Erkrankung und sehen das als „Schicksalsschlag“ an. Ich persönlich bin der Meinung, dass jede Krise, jeder Schicksals- und Rückschlag total subjektiv zu betrachten ist und niemand Fremdes darüber zu urteilen und zu bewerten hat, wie sehr den Betroffen das wohl einschränken und/oder verletzen sollte.
Also, wie beschreibt man dann aber die Kraft sich aus solchen Situationen wieder herauszuholen, in denen man glaubt, nichts würde mehr gehen und die Welt stünde einen Moment still.
Auf diese Frage gibt es zwei Antworten, eine einfache und eine komplizierte. Die einfache: Resilienz ist eine besondere Kraft der Psyche, Belastungen auszuhalten – eine ausgeprägt lebensmutige Haltung. Ein resilienter Mensch lässt sich von Schicksalsschlägen nicht aus der Bahn werfen, sondern kommt rasch wieder auf die Beine und bewältigt sein Leben wie zuvor. Die
Die komplizierte Antwort:
Wissenschaftlern reicht diese einfache, oben genannte, etwas voreilige Deutung von Resilienz nicht aus. Ihre Antwort auf die Frage, was Resilienz sei, ist komplizierter, und auch noch nicht abgeschlossen: Hinter der Resilienz stecke keine geheimnisvolle Kraft, sondern ein komplexer psychischer Mechanismus aus vielen einzelnen Faktoren, von denen manche bekannt sind, andere noch nicht. Daher lautet eine vorsichtig anmutende Erklärung aus der Forschung: Resilienz ist die Fähigkeit, seine psychische Gesundheit während Widrigkeiten aufrechtzuerhalten oder danach schnell wiederherzustellen. – GEO
Okay. Ich persönlich finde, dass sich die Antworten gar nicht so groß unterscheiden und es letztendlich doch auch völlig egal ist WIE man seine persönliche Resilienz stärken und wieder aufbauen kann oder?
Was genau macht einen, als „resilient“ bezeichneten Menschen aus?
Seelisch robuste Menschen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, haben etwas gemein, nämlich, dass sie trotz (schwerer) Lebenskrisen ihre Handlungskraft bewahren. Resilienzforscher bezeichnen dies als „Selbstwirksamkeitserwartung“ – als die Überzeugung eines Menschen, dass er sein Leben meistern kann, aus eigener Kraft. Wer über Selbstwirksamkeitserwartung verfügt, sucht in einer Krise nicht nach anderen Schuldigen, sondern nach einem Ausweg, im festen Vertrauen darauf, dass er zu bewältigen ist. Solche Menschen erleben Krisen so schmerzhaft wie andere, doch der Schmerz lähmt sie nicht und hindert sie nicht daran weiter zu machen.
Resilienzexperten haben herausgefunden, dass es psychische Schutzfaktoren gibt, die einem Menschen ermöglichen, sich aus schwierigen Lebenssituationen wieder einfacher „zu befreien“.
Das soziale Umfeld, das einen Menschen fördert und im Krisenfall unterstützt, spielt als ein Schutzfaktor eine wesentliche Rolle. Doch dazu gehört auch die Fähigkeit des Einzelnen, soziale Unterstützung anzunehmen – und sich trotz aller Hemmnisse weiterhin Ziele zu setzen und sie tatkräftig anzustreben. Resiliente Menschen neigen nicht zum „Katastrophisieren“, wie Psycholog:innen es nennen. Sie malen sich nicht aus, was alles schiefgehen könnte, und ersparen sich dadurch Stress.
Oh und übrigens, was ich als Autoimmunerkrankte natürlich ziemlich wichtig zu erwähnen finde: Die Resilienz wird auch als die „psychische Immunabwehr“ bezeichnet. Ich glaube sehr an das Ganzheitliche; Körper, Geist und Seele können nur gemeinsam funktionieren. Gerät eines dieser drei Rädchen aus dem Gleichgewicht, streiken auch die anderen beiden.
Kann man seine eigene Resilienz trainieren oder stärken? JA!
Resilienz ist eine Komponente der Achtsamkeit und beide wirken invers, das heißt man kann mit Achtsamkeitstrainings auch die Resilienz stärken und umgekehrt. Arbeitet man also an seiner Achtsamkeit und setzt sich bewusst mit Dingen auseinander, so stärkt man auch gleichzeitig seine Resilienz.
Die American Psychological Association (APA) hat ein Programm namens „Road to Resilience” entwickelt, in dem sie zehn Wege nennt, mit Hilfe derer sich Menschen die Fähigkeit der Resilienz aneignen können.
Fähigkeiten die von der APA in ihrem Training für Resilienz empfohlen werden sind:
- Beziehungen aufbauen
- Krisen nicht als unüberwindbar ansehen
- Veränderung als Teil des Lebens akzeptieren
- Sich zu seinen Zielen hinbewegen
- Proaktiv handeln
- Ausschau nach Möglichkeiten zur Selbstentdeckung halten
- Ein positives Selbstbild fördern
- Den Überblick behalten
- Optimistisch bleiben
- Selbstfürsorge betreiben (auch das kann mit Hilfe von Achtsamkeit erfolgen)
Ich weiß, dass so etwas erstmal ENORM überfordernd wirken kann und vor allem dann, wenn man sich gerade in einer Phase seines Lebens befindet, in der alles ein bisschen grauer und kühler als sonst wirkt.
Das ist übrigens völlig in Ordnung und es ist noch niemand, kein Menschenkind, mit einer absolut perfekten Fähigkeit mit Lebenskrisen umzugehen, auf die Welt gekommen.
Also: atme. ein. aus.
Übungen, um deine Resilienz zu stärken:
Tatsächlich glaube ich, dass viele von euch, die diesen Beitrag lesen, eine viel größere Resilienz besitzen, als sie selbst glauben. Einige von euch werden sicherlich auch schon die ein der andere Übung von den jetzt folgenden kennen.
Achtung: Resilienz lernt sich am besten aktiv. Probiere die Übung aus, die sich für dich am besten anfühlt und versuche sie in deinen Arbeitsalltag einzubauen. Je häufiger du „trainierst“, desto eher kannst du die daraus resultierenden Erfolge feiern.(Aber bitte: setze dich nicht unter Druck, denn das ist genau das, was wir vermeiden möchten im Hinblick auf unser Ziel)
Übung 1 – Lächle mal
Optimismus gehört zu den Kompetenzen, die resiliente Menschen auszeichnen. Um mehr Optimismus in deinen Tag zu integrieren stelle dich heute vor einen Spiegel und versuche in deinem ganzen Körper eine positive Ausstrahlung zu erzeugen. Lächel´ dabei dein eigenes Spiegelbild aus tiefstem Herzen an.
Das Ganze kannst du dann nach der Übung – oder dem Warm-up – vor dem Spiegel auch in deinen Tag einbauen. Wenn du dich bereit dazu fühlst: Bring andere Menschen zum Lächeln, indem du ihnen deines schenkst, sei optimistisch und positiv und übertrage diese Ausstrahlung auf deine Mitmenschen.
Übung 2 – Ziele setzen
Ein weiteres Tool, das du zum Resilienz stärken anwenden kannst ist, dir Ziele zu setzen. Selbst wenn es nur ganz kleine für den nächsten Tag sind, wie zum Beispiel ausreichend Wasser zu trinken, einen 10 minütigen Spaziergang zu machen oder 5 Seiten zu lesen.
Wenn du dir diese kleinen Ziele am Vortag oder morgens früh aufschreibst, sammelt du Motivation für den Tag und dafür, diese Vorhaben auch zu erreichen. Schaffst du das, was du dir vorgenommen hast, so stärkt dies wiederum die Selbstwirksamkeit und den Glauben an dich und dein Durchhaltevermögen.
Wichtig ist, sich nicht gleich 100 Dinge gleichzeitig für den nächsten Tag vorzunehmen, sondern lieber klein anzufangen. Und wenn es nur eine einzige Sache ist – toll!
Übung 3 – Pause machen
Auch mal fünf Minuten durchatmen, sich einen Tee machen, kurz an die frische Luft gehen oder einfach mal nichts tun. Versuche in deinem Alltag bewusst Pausen einzuplanen. Blocke dir dafür ruhig die Zeit im Kalender und erlaube auch mal „me-Time.“
Versuche dich dann in deinen Pausen nicht von Social-Media-Benachrichtigungen oder E-mails ablenken zu lassen, sondern lege dein Smartphone zur Seite, klappe deinen Laptop zu und komme wirklich zur Ruhe.
In den Pausen kann sich dein Körper und Geist von dem dauerhaften Input an Informationen erholen und du kannst neue Energie und Kraft schöpfen, um danach gestärkt zurück an deine Aufgaben zu gehen.
Vielleicht kommen dir während der Pause auch neue kreative Ideen, die dir ohne vielleicht gar nicht eingefallen wären.
Übung 4 – Do something good
Wer Anderen hilft, tut nicht nur ihnen etwas Gutes, sondern auch sich selbst.
Probier doch einmal, heute jemandem einen kleinen Gefallen zu tun, deine Hilfe anzubieten oder einfach so Hilfsbereitschaft zu signalisieren.
Mich macht es bspw. immer glücklich, wenn ich anderen die Tür aufhalten kann, jemanden mit weniger Einkäufen an der Kasse vor lasse oder im Straßenverkehr signalisiere, dass ich es nicht eilig habe und jemand gerne vor mir einscheren kann. 😉
Du wirst sehen, es zaubert nicht nur deinem Gegenüber ein Lächeln ins Gesicht. Die Dankbarkeit der- oder desjenigen wird dich den ganzen Tag über erfüllen und dir ein positives Gefühl geben. Dadurch steigerst du auch deinen Selbstwert und kannst dein Sozial- oder Karmakonto mit vielen Pluspunkten füllen.
Übung 5 – Journaling
Schreibe dir nach einem Tag auf, was du erlebt hast, welche Dinge positiv waren und über was du dich vielleicht ein bisschen geärgert hast, oder was dich traurig gemacht hat.
Konzentriere dich aber in erster Linie auf die positiven Aspekte und betrachte genau, in wie weit du diese kultivieren kannst. Bei den weniger schönen Erlebnissen deines Tages kannst du dir überlegen, in wie weit du diesen auch etwas Positives abgewinnen kannst, was du daraus gelernt hast oder was du das nächste Mal vielleicht anders machen kannst.
Vielleicht entdeckst du auch hinderliche Glaubenssätze während des Schreibens, die du ins Positive umkehren kannst, oder du merkst vielleicht, dass die Situation im Nachhinein betrachtet gar nicht so schlimm war, wie du anfangs dachtest.
Abschließend möchte ich noch einmal etwas loswerden:
Immer wieder erreichen mich bei Instagram Nachrichten mit dem Inhalt: „Wow Kira, du hast so eine unglaubliche Resilienz.“
Ja, die habe ich. Die hatte ich nicht immer. Und das ist gar nicht schlimm! Auch jetzt noch sitze ich von Diagnose zu Diagnose und meinen persönlichen Rückschlägen immer mal wieder hier auf dem Sofa oder liege im Bett und stelle mir die wohl berühmteste W-Frage; WARUM?
Dann weine ich vor Wut und finde alles mal kurz so richtig mies und beschissen. Aber wisst ihr was? Genau das gehört für mich eben auch dazu: Das Anerkennen einer Situation. Gefühle zeigen, nicht auf Biegen und Brechen immer positiv sein zu müssen.
Ich bin übrigens der festen Überzeugung, dass uns chronisch kranken Menschen ab Diagnose ein anderes Level an Resilienz zugesprochen wird und das es uns das Leben durch unsere Umwelt so manchmal schwerer macht.
Du hast deine Grenzen. Du bist nicht deine Krankheit. Du weißt selber am aller besten was für dich gut ist und was nicht. DU besitzt DEIN Ur-Vertrauen.
Ich drücke dich.